Ich bin in Kansas geboren und aufgewachsen. Ich war eines von fünf Geschwistern und Sohn eines Universitätsprofessors, was die Urlaube preiswert und gut machte. Ich fühlte mich nie um etwas beraubt. Irgendwann entwickelte sich jedoch ein Gefühl in mir, dass es da draußen eine große, schöne Welt gab, die Kansas – es sei gesegnet - nicht repräsentierte. An meinem 21. Geburtstag reiste ich das erste Mal nach Europa. Ich feierte, indem ich mich am JFK betrank, bevor ich in das Air France Flugzeug stieg. Nicht einmal ein Kater konnte die unvergessliche Sicht trüben, die sich mir bot, als wir am nächsten Morgen im Flughafen Nizza landeten.
Seit dem haben all die Geschäftsreisen, über mehr als dreißig Jahre hinweg, dem Reisen an sich die Magie genommen. Irgendwo ankommen – großartig. Im Flugzeug sitzen jedoch, fühlt sich an, als wäre man im Viehwaggon. Aber diese erste Sicht auf Europa werde ich nie vergessen.
Als Kind habe ich viel gelesen, besonders Bücher haben es mir angetan. Eines von diesen war J.D. Salingers „Der Fänger im Roggen“. Aber es gab noch andere, und wenn man sie alle aufreihen würde, hätte man ein vielseitiges Durcheinander. P.G. Wodehouse zum Beispiel. Kiplings „Genau-so-Geschichten“. Noel Cowards Theaterstücke. Werke, die keinen gemeinsamen Nenner haben. Abgesehen davon, dass sie sehr wohl einen haben, wie ich jetzt glaube. Jedes erschuf eine eigene Welt, um sich an ihr zu erfreuen (Wodehouse) oder in ihr zu leiden (Salinger), aber eine Welt, die einzigartig und glaubhaft war.
Ich begann, Geschichten zu erzählen, nicht nur zu lesen, während eines Familienurlaubs im Hotel Pitrizza in Sardinien. Ich war 35. Jeden Abend nach dem Essen brachte meine Frau unser Zweijähriges ins Bett und ich blieb am Restauranttisch, um meine fünf Jahre alte Tochter zu unterhalten. Ich fing an, Charlie-und-Carol-Geschichten zu erzählen. Charlie ist ein Maus und Carol ein fünfjähriges Mädchen. Sie erlebten sagenhafte Abenteuer. Ich bin sicher, das tun sie immer noch. Mein Mädchen lauschte, durch die Laube am Ligurischen Meer starrend und ihre Knie umarmend, ihre Augen erleuchtet mit Fantasie, während sie abwesend die Nase ihres Stofftiers Baerli streichelte. Für einen Vater könnte es nichts Besseres geben. Außerdem konnte ich so die Flasche Wein leeren.
Charlie und Carol wurden zum Muss als Gutenachtgeschichten für meine Tochter und ihre beiden jüngeren Brüder. Ihrer Mutter war es nie erlaubt, sie zu hören. Es waren geheime Geschichten. Carol versteckte Charlie vor ihren Eltern, wissen Sie.
Diese Erfahrung pflanzte einen Samen, der einige Zeit zum Keimen brauchte. Und irgendwann vor etwa 15 Jahren fing ich mit dem Schreiben an. Kriminalgeschichten (Charlie und Carol klärten Verbrechen auf), denn das Krimigenre ist groß genug, um all den Leidenschaften nachzugeben. Unter anderem denen von meiner speziellen Leidenschaft erzeugten: Die Kunst der Renaissance. Schreib über das, was du weißt, sagt man. Ich würde hinzufügen: was dich bewegt.
Ich habe einige Kurzgeschichten geschrieben, alle aus dem Genre „Kulturkrimi“, und ich arbeite zurzeit an einem neuen Roman. Ich schreibe jeden Tag, selbst wenn es nur ein paar hundert Wörter sind. Der frustrierendste Teil ist, etwas erneut durchzulesen, womit man sich tagelang abgemüht hat, und die linke Gehirnhälfte, der innere Kritiker sagt „Das ist Mist.“ Ich tröste mich mit Hemingways Feststellung, dass der erste Entwurf immer „Schrott“ ist. Und man bleibt an der Stange und hin und wieder küsst einen die Muse. Es scheint zu passieren, wenn man unachtsam ist. Jeder Autor kennt diesen Moment. Es ist ein Gefühl, dass nur so lange anhält, wie dir nicht bewusst ist, dass du es fühlst. Ich denke, das ist der Grund, warum Autoren schreiben.